Serious Black: Diese „Fuck it all“-Attitüde unseres damaligen Sängers zog sich über die gesamte Tour hinweg

© Jana Breternitz

Serious Black sind ohne Frage eine geile Band und haben ausschließlich gutklassige Alben veröffentlicht. Dennoch – und das erfahren wir im Laufe des Interviews – hätte es für die Band deutlich besser laufen können.
Mit dem neuen Album „Vengeance Is Mine“ hauen die Jungs um die Ur-Mitglieder Mario Lochert (bs) und Dominik Sebastian (g) jetzt ein absolutes Meisterwerk unter die Leute. Ich lehne mich mal gaaanz weit aus dem Fenster und behaupte, dass „Vengeance Is Mine“ am Ende des Jahres definitiv zu meinen Top 10 Alben 2022 gehören wird.
Gitarrist Dominik stellte sich unseren Fragen und gab bereitwillig Auskunft über gute und schlechte Phasen der Band.

 

Dominik, wir haben uns das letzte Mal am 02. Februar 2020 in Oberhausen getroffen, wo Ihr für Hammerfall eröffnet habt.
Wie wir wissen, wurde Corona bedingt kurz danach die Tour abgebrochen. Das war mit Sicherheit ein herber Schlag, denn Euer damaliges Album „Suite 226“ war gerade erst erschienen und wurde mächtig abgefeiert.
Und dann verließ auch noch Euer damaliger Sänger Urban Breed wie aus heiterem Himmel die Band.
War das vorher an Euch schon kommuniziert oder kam das auch für Euch unerwartet?

Dominik: Servus Jörg, die letzte Tour ist sich tatsächlich für uns gerade noch so ausgegangen bis zum Ende. Ein paar Tage später war dann alles dicht. Klar, für das darauffolgende Jahr wäre noch so einiges auf unserer Agenda gestanden, was dann natürlich ins Wasser fiel. Dieses bisschen mehr Aufmerksamkeit hätte uns und diesem Album schon noch gutgetan, zumal die Arbeit daran sehr aufreibend und nervenraubend war. Darüber hinaus war leider auch die Chartplatzierung nicht zufriedenstellend für uns, was unter anderem dem Wegfallen einer Spezial-Box und dem verspäteten Erscheinen der Vinylvarianten geschuldet war. Dies wiederum rührte daher, dass wir das Album auf Grund nicht gelieferter Gesangsspuren nicht zum vereinbarten Zeitpunkt abgeben konnten.

Das führt uns nun zur Causa Urban.

Also: Er hat nicht rechtzeitig geliefert, war allerdings in dieser Zeit auch weder für uns, noch für die Plattenfirma erreichbar. Immer und immer wieder hatten wir versucht, mit ihm Kontakt aufzunehmen, um herauszufinden, woran es lag, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Selbst über seine Freunde und Verwandte konnten wir nicht erreichen, dass er sich mit uns in Verbindung setzt. Es war ihm offenbar einfach alles einfach scheißegal. Leider fliegt man halt auch nicht einfach mal so mir nichts, dir nichts über den großen Teich nach Amerika und klopft an seine Tür. Schlussendlich bekamen wir die letzten noch ausständigen Spuren dann doch noch – drei Monate (!!) nach Deadline – und Mario musste das Album in nur wenigen Tagen fertigstellen. Ein Verschieben der Veröffentlichung war undenkbar, da ja die besagte, für uns sehr wichtige, Tour ins Haus stand.

Diese „Fuck it all“-Attitüde unseres damaligen Sängers zog sich dann auch noch weiter über die gesamte Tour hinweg, teilweise sogar auch auf der Bühne. Er fand es zum Beispiel nicht für nötig, zu den Soundchecks zu erscheinen oder sich nach den Auftritten beim Merchandise-Stand blicken zu lassen. Außerdem verbreitete er Unwahrheiten über uns gegenüber der Crew, was wir natürlich erst später erfuhren.

Ein paar Monate später meldete er sich über einen alten, eigentlich stillgelegten, Chatroom bei „uns“ – nur Ramy, ein damaliges Crew-Mitglied und meine Wenigkeit waren in diesem Chat – worin er sich für sein Verhalten in den letzten Jahren zu entschuldigen versuchte. Wir reagierten vorerst nicht darauf und warteten ab, da er ja genau wusste, wie er uns alle offiziell erreichten könnte, würde er ernsthaft eine aufrichtige Basis zur Aussprache suchen. Stattdessen bekamen wir ein paar Tage später mehrere aufgebrachte Anfragen von Magazinen und Geschäftspartnern, was denn bei uns los sei, da Urban via Facebook seinen Ausstieg von Serious Black verkündet hätte. Das war dann doch wahrlich überraschend für uns, ungeachtet dessen, dass ich ihn persönlich aus gegebenen Anlässen am liebsten bereits unmittelbar nach der Tour rausgekickt hätte – oder noch früher. In einem kurzen öffentlichen Disput zwischen uns versuchte er dann auch noch, den Sachverhalt zu seinen Gunsten zu wenden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war für jeden von uns klar, dass eine jegliche weitere Zusammenarbeit mit ihm unmöglich geworden ist.

Nichtsdestotrotz wünschen wir ihm alles Gute für seine Zukunft.

 

© Marko Ristic

HF: Serious Black sind ja nicht wirklich dafür bekannt, ein langlebiges, stabiles Line Up zu haben. Schon bei Eurer ersten Tour waren Thomen Stauch und Roland Grapow nicht dabei. Habt Ihr jetzt eine Besetzung, die hoffen lässt, etwas langlebiger zu sein?

Dominik: Das wollen wir doch stark hoffen, ist es doch auch für uns (Mario und mich), den letzten beiden Verbliebenen der Originalbesetzung, nicht einfach, sich immer wieder auf neue Leute einstellen zu müssen. Den harten Kern bilden nun Mario, Ramy, Nikola und ich, zusätzlich mit Bob an den Tasten und der Gitarre. Also, was die Zusammenarbeit an künftigen Alben betrifft, bin ich zuversichtlich, dass wir in dieser Konstellation weitermachen werden. Was unsere Bühnenpräsenz betrifft, ist es kein Geheimnis, dass Bob in Arbeit förmlich untergeht und demnach momentan nicht die Zeit findet, auch noch auf die Bühne zu steigen. Aber mal schauen, was die Zukunft bringt.

Übrigens: So manche Personalwechsel in der Vergangenheit waren auch der Tatsache geschuldet, dass eine bestimmte Person sich nach und nach als allesbesserwissender Egomane entpuppte und der Band immer öfter das Messer an die Kehle hielt, in seiner größenwahnsinnigen Meinung, dass ohne ihn sowieso nichts liefe. Nun, dies haben wir wohl mit diesem, unserem fünften,  Album widerlegt.

 

HF: Lange war es ein gut gehütetes Geheimnis, bis Ihr endlich Euren neuen Sänger Nikola Mijic der Öffentlichkeit vorgestellt habt. Wo habt Ihr den gefunden? Die Frage, ob er Eure erste Wahl war, ist natürlich ketzerisch …

Dominik: Die Latte der zu erfüllenden Kriterien, als Sänger bei Serious Black zu dienen, liegt sehr hoch. Immerhin suchten wir weder eine billige Urban-Kopie noch einen Zauberer, der auch singen kann. Was diese Band braucht, ist eine präsente Persönlichkeit, die sowohl unseren alten Backkatalog singen kann, aber auch eigene Ideen, Stilistik und Wissen miteinbringt. Darüber hinaus sollte die Person gewillt sein, in dieselbe Richtung wie wir zu ziehen, das gleiche erreichen zu wollen. Sozusagen suchten wir die berühmte Nadel im Heuhaufen.

Wir waren bereits mit einigen großartigen Sängern auf der ganzen Welt in Kontakt und veranstalteten mehr oder weniger ein Casting. Dann kam ein Vorschlag von unserem Label AFM-Records um die Ecke. Sie sagten uns, dass sich Eden’s Curse wohl auflösen würden und Nikola eine hervorragende Wahl für uns sein könnte. Ramy kannte ihn bereits von einer gemeinsamen Tour mit seiner damaligen Band und attestierte ihm eine sehr professionelle Einstellung. Zudem war er ihm als sehr angenehme Person in Erinnerung geblieben. Dass er singen kann, wussten wir ohnehin. Also kontaktierten wir ihn und auch er war von der Idee mehr als angetan. Bei den finalen Gesangsaufnahmen in den Serious-Black-Studios lernten wir ihn dann auch endlich persönlich kennen. Wir sind sehr froh, unseren „Mr. Right“ gefunden zu haben, noch dazu in Europa.

 

HF: In der aktuellen Bandinfo wird nun auch als zweiter Gitarrist wieder Bob Katsionis aufgeführt, der schon mal im Boot war (wie auch Drummer Rami Ali als Ersatz für Thomen Stauch). Ist Bob „nur“ geplanter zweiter Live Gitarrist?

Dominik: Eher umgekehrt: Wir haben für dieses Album wieder sehr eng mit ihm zusammengearbeitet. Er hat aber nicht nur die Keyboards oder einige Gitarrenparts und Soli eingespielt, sondern in erster Linie die Basen für viele der Songs beigesteuert. Ohne ihn wäre das Album wohl nur halb so lang geworden (haha).

Wie schon erwähnt, hat er aber mit seinen eigenen Firmen und Bands so viel um die Ohren, dass er Live-Auftritte kaum bis gar nicht wahrnehmen kann – jedenfalls, was Serious Black betrifft. Das ist übrigens auch der Grund, warum er in unseren letzten Videos nicht vorkommt und auch nicht auf unseren Autogrammkarten abgebildet ist.

Deswegen arbeiten wir für die kommenden Konzerte (mögen sie doch wieder stattfinden) mit Moe, einem hervorragenden Live-Gitarristen, zusammen, der Bobs Parts zumindest bis auf weiteres übernehmen wird.

 

© Marko Ristic

HF: Gestern habe ich Euer neues Album „Vengeance Is Mine“ bekommen. Das hat mich gelinde gesagt total umgehauen. Nach einem erstmaligen Durchhören liefen dann stundenlang bei mir „Rock With Us Tonight“ und „The Story“ in Dauerschleife.
Nikola singt so geil, dass ich ehrlich gesagt Urban nicht wirklich vermisse. Wie sehr hat er sich beim Komponieren und speziell beim Ausarbeiten der Gesangsmelodien mit einbringen können?

Dominik: Danke für die Blumen! Der Zeitplan für die Produktion war extrem knapp bemessen – zumindest, was den Gesang betrifft.

Zum einen wollen wir mit diesem Album so viel wie möglich an entstandenem Schaden wieder gutmachen und Verlorenes aufholen. Dazu braucht man viel Zeit für die Vorbereitung und die Planungen waren bereits abgeschlossen. Mittlerweile ist unser Album seit Ankündigung bereits ein dreiviertel Jahr ständig und wachsend präsent (Merke: Zu „Suite 226“ hatten wir maximal 2 Monate Zeit für Promo).

Zum anderen war die Sängersuche viel zeitaufwändiger als gedacht. Gut Ding braucht eben Weile. Also stellten wir die Songs erst mal instrumental fertig und schrieben die Texte und Gesangslinien dazu. Demnach war Nikola bei dieser Produktion leider nicht die Zeit gegeben, sich in dem auch von uns gewünschten Rahmen einbringen zu können. Das soll sich an den Arbeiten zur Nachfolgescheibe aber natürlich ändern. Im Endeffekt blieb ihm dann nur mehr, die gegebenen Stücke zu interpretieren. Aber selbst diesbezüglich ist er wohl eine Klasse für sich.

 

HF: Schaut man sich die Titel der Songs an, so kommt man sehr schnell auch ohne die Texte zu kennen auf den Gedanken, dass Ihr hier jede Menge Scheiße verarbeitet habt: „Out Of The Ashes“, „Fallen Hero“, „Tonight I’m Ready To Fight“, „The Story“, „Album Of Our Life“, „Alea Iacta Est“…
Irre ich mich oder hat Mario neben 20 kg Körpergewicht hier auch 20 Tonnen Seelenlast weggehauen?

Dominik: Du hast völlig Recht, wir arbeiten hier textlich einiges auf. Viele der Songs handeln von den letzten paar Jahren in Marios Beziehungsleben: er trug sie auf Händen, tat alles für sie, behandelte sie wie eine Prinzessin. Alles schien harmonisch und perfekt – für Außenstehende fast schon zu perfekt. Dann plötzlich, als er um ein bisschen „Geben und Nehmen“ bat, verließ sie ihn vom einen Tag auf den anderen, erzählte Unwahrheiten – und versuchte, verschiedene Personen zu ihren Gunsten gegeneinander auszuspielen. Traurig, wie sehr man sich so in einer Person täuschen kann. Aber das war der Startschuss für diesen musikalischen Rundumschlag.

Andere Texte erzählen von verschiedenen Leuten in unseren Leben, mit denen wir in der Vergangenheit die „Ehre“ hatten, zusammenarbeiten zu dürfen – Mitmusiker, Geschäftspartner, etc. Darin geht es um deren Selbstüberschätzung, Realitätsverlust, Größenwahn, Intrigen, und so weiter. Damit hatten wir klarzukommen und wir haben diese Leute zum Großteil auch noch in Schutz genommen. Aber damit ist jetzt endgültig Schluss.

Ja, summa summarum kamen da schon ein paar Gramm an Seelenlast zusammen.

 

HF: Aktuell sind die Tour Bedingungen Corona bedingt nicht wirklich klar. Wie ist nach heutigem Stand Eure Planung?

Dominik: Diese Zeiten sind ohne Zweifel extrem zermürbend, da du nichts wirklich planen kannst, was länger als 5 Minuten in der Zukunft liegt. Dennoch versuchen wir, so viele Konzerte wie möglich wahrzunehmen, selbstverständlich unter Einhaltung sämtlicher erforderlicher Voraussetzungen – Abstandsregeln, Hygienemaßnahmen, limitierte Kapazitäten, etc., denn wir wollen niemanden gefährden – weder unsere Fans noch unsere Crew und uns selbst natürlich auch nicht. Nun sind von unserer ursprünglich gebuchten Tour 8 Termine übriggeblieben, allesamt innerhalb Deutschlands, die wir nach jetzigem Stand absolvieren können und wollen. Daran halten wir auch fest, so lange uns von offizieller Seite kein Strich durch die Rechnung gemacht wird.

Wichtig: Die momentan nicht durchführbaren Events werden nicht abgesagt, sondern auf hoffentlich zukunftsnahe Ersatztermine verschoben. Die bisher gekauften Tickets behalten meines Wissens bis dahin auch überall ihre Gültigkeit.

 

HF: Danke für Deine Zeit und viel Erfolg!!!

Dominik: Danke dir und dem Hellfire Magazin! Ich hoffe, wir sehen uns bald mal wieder. Deine tollen Live-Fotos fehlen uns übrigens auch schon! (Wenn alles klappt gibt es die nächsten Live Fotos vom Konzert am 05.02. in Monheim – Jörg)

 

Interview: Jörg Schnebele

 

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