punchline studio – Geheimtipps statt großer Namen

Die Bands und Musiker auf der Bühne sieht und kennt jeder. Aber es gäbe keine Musik, keine Shows und keinen Erfolg ohne die Leute im Hintergrund, seien es Plattenfirmen, Produzenten, Veranstalter und viele mehr. Wir möchten euch ein paar der Menschen vorstellen, die für und mit den Musikern arbeiten und sie auf ihrem Weg unterstützen.

Heute sprechen wir mit Pirmin Styrnol vom Medienproduktionsunternehmen punchline studio.

HF: Auf den ersten Blick würde man euch wahrscheinlich jetzt nicht mit dem Music Biz in Verbindung bringen. Stell doch bitte erstmal punchline studio vor, welche Themen und welche Produktionsformen deckt ihr alle ab?

Pirmin: Das ist gar nicht so einfach zu erklären. Eigentlich machen wir nämlich fast alles. Aber angefangen haben wir eigentlich wirklich komplett im Audiobereich. Ich selbst bin Journalist und Synchronsprecher, war zum Beispiel die ARD-Trailer-Stimme der Fußball WM im letzten Jahr und die Station Voice beim Miss Germany Finale. Mein Bruder Maik Styrnol, mit dem ich das punchline studio leite, ist Komponist für Filmmusik. Insofern haben wir schon immer viel mit Musik zutun. Vor zwei Jahren haben wir zum Beispiel die CD “tenebra” auf den Markt gebracht, für die wir Gedichte in Stimme und Musik vertont haben. Aber seit einiger Zeit zieht es uns immer mehr ins Filmbusiness. Angefangen haben wir da mit Kurz-Dokus über den Ukraine-Konflikt, die wir im Rahmen von Spendenkampagnen produzierten. Im Frühjahr sind wir aber mit der Serie “Live in Concert” zum ersten Mal in Richtung Musikfilm gegangen. Die erste Folge “OIL – Live in Concert” steht seit Sommer bei Amazon Prime zum Stream. Die zweite Episode ist gerade in Planung. In jeder Folge wollen wir ein anderes Musikgenre abdecken und zielen da eher auf Geheimtipps als auf große Namen ab. Hauptsache die Qualität der Musik passt – der Bekanntheitsgrad der Bands ist uns da egal. OIL macht Hardrock und Heavy Metal, insofern kracht es in unserem ersten Konzertfilm so richtig. Und die drei Musiker sind einfach absolut Weltklasse. Aber zurück zu uns: Irgendwie ist es schwer, das punchline studio in eine Schublade zu stecken. Wir machen einfach, auf was wir Lust haben. Und das funktioniert gerade ganz gut.

HF: Wenn ihr thematisch auch Allrounder seid, so scheint euch die Musik, speziell die Rock-Musik doch am Herzen zu liegen. Bester Beweis ist die Doku „Heart And Soul“, an der ihr seit 1,5 Jahren arbeitet und die anhand des Weges der Band Scaramouche das Musikgeschäft in verschiedenen Facetten beleuchtet. Wie kam es überhaupt zu der Idee, dieses Projekt umzusetzen und hättet ihr damals gedacht, dass es solche Kreise (erfolgreiches Crowdfunding, Unterstützung durch Band und Fans etc.) ziehen würde?

Pirmin: Naja, wir haben schon damit gerechnet, dass es viele Menschen interessieren würde. Aber die Größenordnung, die das Ganze jetzt über ein Jahr vor der Premiere schon erreicht hat, die ist schon überwältigend. Das pusht natürlich enorm, wenn man bemerkt dass es Interesse an unseren Projekten gibt. Maik und ich sind seit Jahren große Fans der Musik von Scaramouche, das ist so ein bisschen unsere Kindheit. Vor rund eineinhalb Jahren stand dann der ehemalige Frontman von Scaramouche, Frank Vetter, in unserem Studio weil er für neue Aufnahmen mit Maik zusammenarbeiten wollte. Und so kamen diese ganzen Fragen bei Maik und mir wieder hoch: Warum hat sich Scaramouche 2001 aufgelöst? Warum hat’s mit dem endgültigen Durchbruch nicht geklappt? Wie kann das sein, wo die Musik doch so großartig ist? Durch die Gespräche mit Frank wurde uns sehr schnell klar, dass die Bandgeschichte Stoff für einen Film hergibt. Sie hatten Fernsehauftritte, standen teilweise auf Riesenbühnen bei großen Festivals und hatten einen Plattenvertrag. Gleichzeitig haben sie aber natürlich auch Fehler gemacht und sich am Ende aufgelöst, weil ihnen der eigene Erfolg nicht groß genug war. Musikgeschmack ist natürlich verschieden, aber die Grundfragen des Films sind auch für Musikfans spannend, die Scaramouche gar nicht kennen: Was ist Erfolg? Was machen junge, talentierte Bands falsch? Woran lag’s bei Scaramouche, was können andere Bands aus deren Karriere lernen? Und mit rund 20 Jahren Abstand – wie denken sie denn heute über ihr Leben als Rockmusiker?
Und das erfolgreiche Crowdfunding mit über 20.000€ zeigt ja auch, dass ein großes Interesse da ist. Seit wir veröffentlicht haben, dass wir den Film machen werden, bekommen wir fast wöchentlich neue Nachrichten. Mittlerweile stapeln sich ordnerweise Zeitungsartikel und Fotos in unserem Studio, die von alten Fans eingeschickt wurden. Einige kamen über 100 Kilometer angefahren um uns alte Videotapes oder Eintrittskarten vorbeizubringen. Das ist einfach toll und irgendwie ja schon fast die Antwort auf die Kernfrage nach dem Erfolg der Band, oder? Letztens haben wir auf dem Konzert einer Coverband gedreht, die auch 18 Jahre später den Scaramouche-Song “Heart and Soul” im Programm hat – und es gibt immer noch Leute in der Region, die mitsingen. Wenn das kein Erfolg ist, dann weiß ich auch nicht…

HF: Was hast du für dich selber aus den bisherigen Erfahrungen und Begegnungen durch dieses Projekt mitgenommen? Neue Eindrücke, Erfahrungen oder vielleicht auch nachträgliches Verstehen von Entwicklungen etc.?

Pirmin: Ganz ganz viel. Scaramouche waren für mich ja wirklich Rockstars. Mit acht oder neun Jahren hatte ich zwar noch nie von Queen gehört, aber von Scaramouche konnte ich alle Songs mitsingen. Als sie 1997 auf dem Daytona Europe Festival die Bühne vor James Brown und Deep Purple eröffneten, durfte ich als Siebenjähriger mit zum Konzert. Für mich war das eine Kategorie: James Brown, Deep Purple, Scaramouche. Witzig, oder? Als die Band sich 2001 aufgelöst hat, war das für meine Familie wirklich traurig und seitdem kam immer wieder diese Frage auf: Warum? Jetzt als Erwachsener mit den einzelnen Bandmitgliedern und deren Umfeld darüber diskutieren zu können ist einfach großartig. Und durch den engen Kontakt, den wir mit der Band mittlerweile haben, bekommen die Songs auch ganz plötzlich ein anderes Gesicht. Auch das ist wirklich spannend. Der Filmtitel “Heart and Soul” ist ja der gleichnamigen Scaramouche-Hymne entliehen. “I’m giving all my heart and soul, or nothing at all….” Das klingt wie ein Liebeslied, aber durch die Gespräche mit der Band haben wir erfahren, dass der Text am Anfang mal anders lautete. Da sangen sie nämlich: “I’m giving all my heart and soul for rock ‘n’ roll…” Der Text wurde dann geändert weil die Band es zu plump fand. Als wir das gehört haben, war uns sofort klar, dass das der Filmtitel sein muss, denn genau darum geht’s ja in unserer Doku. Herz und Seele für die Musik zu geben. Mal ganz abgesehen von solchen “Insider-Geschichten” habe ich aber durch die vielen Interviews mit den Bandmitgliedern, mit Journalisten, Managern etc. plötzlich ein ganz anderes Verständnis von der Musikbranche der 1990er Jahre. Das sind teilweise wirkliche Krimis, die sich da abgespielt haben. Qualität und Erfolg haben in diesem Gewerbe leider nicht immer korreliert…

HF: Apropos Erfahrungen: wenn wir hier schon einen Film-Profi befragen können, welche Tipps würdest du Bands mitgeben, um sowohl ihre Videoproduktionen als auch Live-Mitschnitte möglichst erfolgreich umzusetzen. Was sind nach deiner Erfahrung so etwas wie „Must Haves“ und was die absoluten „No Go’s“?

Pirmin: Ich fange mit den “No Go’s” an. Meiner Meinung nach sollte man es entweder richtig machen, oder gar nicht. Ein schlechter Live-Mitschnitt setzt die beste Musik herab. Das empfinde ich als Künstler für unwürdig. Das ist auch ein Grund dafür, dass Maik und ich keine Low-Budget-Produktionen in diesem Bereich anbieten. “OIL – Live in Concert” wurde mit 6 Kameras und 24 Tonspuren aufgezeichnet. Für eine Band mit nur drei Mitgliedern. Und da sind wir schon bei den “Must Haves”: Der Ton muss für mich einfach brillant sein. Leider fällt der bei manchen Filmemachern gerne mal “hinten runter”, Hauptsache das Bild sieht fancy aus und der Schnitt ist spektakulär. Das finde ich als Musikfan ganz schrecklich….

HF: Ihr seid ja aktuell auch dabei, eine Reihe von Konzertfilmen zu drehen. Wie schwierig ist das, im Vergleich zu Studio-Drehs etc. Ihr könnt ja nicht einfach sagen „nochmal von vorne bitte“. Welche Bands begleitet ihr für die Reihe live und wann und wo kann man die Filme dann sehen?

Pirmin: Es ist natürlich schon was anderes. Die Musiker müssen eben on point performen – und wir auch. Deshalb informieren wir uns gut über unsere Protagonisten, gucken uns vorher viele Auftritte an, hören die Musik wochenlang an, damit wir jedes Break kennen. Schließlich müssen wir als Regisseure ja wissen, wann das Gitarrensolo kommt oder wann der Bassist ein fill in hat. Aber klar, “nochmal von vorne” geht halt nicht. Am Ende hängt der Film hauptsächlich an der Qualität der Musik und der Musiker. Deshalb mache wir da im Grunde ein richtiges Casting und freuen uns immer über Zusendungen aus jedem Genre.
Die erste Folge unserer Konzertfilmserie, “OIL – Live in Concert”, steht übrigens schon online bei Amazon Prime. Ein paar Videos sowie einen Trailer haben wir aber auch auf Youtube ausgekoppelt. OIL macht Musik im Stil der 70er Hardrocker. Eine Gitarre, ein Bass, ein Schlagzeug. Der Gitarrist Gert Endres ist Leadsänger, der sich aber immer wieder mit dem Schlagzeuger Marc Vetter abwechselt. Sehr virtuos und wirklich stark durchkomponiert. Da sitzt alles. Als nächste Folge planen wir allerdings einen ganz andere Stil. Da wird der indische Konzertpianist Pervez Mody der Protagonist sein. Aber dabei wird’s nicht bleiben. Ganz sicher zieht es uns mit der ein oder anderen Folge wieder zum Rock-Genre.

HF: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen euch für die Zukunft alles Gute und sind insbesondere gespannt, wie sich eure Aktivitäten im Rock- und Metal-Bereich weiterentwickeln.

alle Bilder wurden von punchline studio zur Verfügung gestellt

Interview: Katja Maeting

Weitere Infos:
www.film-und-ton.de
www.scaramouche-film.de

 

Zur Person:
Pirmin Styrnol leitet seit 2015 gemeinsam mit seinem Bruder Maik Styrnol das Lahrer Medienunternehmen punchline studio. In dieser Zeit veröffentlichten die beiden Arbeiten in allen Mediensparte. Für die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 lieh Pirmin Styrnol seine Stimme als Synchronsprecher für die Übertragungen der ARD. In diesem Jahr erhielt Styrnol zudem mit dem “Sport Oscar” AIPS-Award die höchste internationale Auszeichnung für Sportjournalisten. Die gemeinsamen Filme “Winter in Lviv” und “Für ein Lächeln…” wurden auf mehr als 30 Filmfestivals weltweit aufgeführt. Dabei erhielten die Brüder mehrere internationale Auszeichnungen für “Best Documentary”. Derzeit produzieren die Styrnol-Brüder den Dokumentarfilm “Heart and Soul” über die ehemalige deutsche Rockband Scaramouche.

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.