Tristwood – Unvorhersehbar bleiben

© Tristwood

Mit dem Hellfire Quick5 Interview versuchen wir für unsere Leser möglichst interessante Infos aus den Musikern rauszukitzeln, ohne dass sie sich seitenlangen Fragen/Antworten hingeben müssen. Wir vom Hellfire bemühen uns dabei, (mehr oder weniger) kurz und prägnant im Rahmen von 5 Fragen zu agieren (manchmal kann eine Frage auch gedoppelt oder getrippelt sein); den Musikern obliegt es, nach ihrem Gutdünken zu antworten: kurz und knapp bis hin zu ausschweifend und umfangreich.

Diesmal sprachen wir mit der Band Tristwood aus Österreich, die im Mai 2020 ihr neues Album „Blackcrowned Majesty“ veröffentlichen werden.

HF: Da es um euch lange still war und ihr ja keine Live-Band seid, wer sind Tristwood im Jahr 2020 und wie würdet ihr euren Sound beschreiben?

TW: Wir sind mit Sicherheit eine Band, die sich im Jahre 2020 mehr über ihre Wurzeln Gedanken macht. Früher ging es in erster Linie darum, möglichst experimentelle und radikale Musik zu erschaffen. Uns war immer wichtig, Extreme in der Schnittmenge zwischen Industrial Black Metal, Death Metal, Doom und Grindcore auszuloten. Mit dem neuen Album haben wir zunächst einmal einen Blick darauf geworfen, was eigentlich Alben von Bathory, Skinny Puppy, Hellhammer, Dismember, Grave und Celtic Frost so besonders gemacht hat. Wenn Du uns also fragst, welchen Sound wir heute haben, dann kann man Folgendes antworten: Er ist immer noch typisch Tristwood, eben dieser Black Industrial Cybercore, von dem wir seit Jahren sprechen. Nun hat er auf dem neuen Album mit dieser eingearbeiteten 80er-Jahre-Rohheit und -Spontaneität eine neue Facette, die auch diese künstlerische Radikalität und Echtheit von Debüt-Alben beispielweise von Terrorizer, Kraftwerk oder Morbid Angel einzufangen versucht.

HF: Tristwood als Band ist ja nun schon 20 Jahre alt. Wenn euch jemand nach eurer Anfangszeit und dem ersten Release aus den Augen verloren hat, würde er euch heute noch wiedererkennen? Was sind die Konstanten im Sound von Tristwood?
 

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TW: Also “Fragments of the Mechanical Unbecoming” und “Amydala”, die im Zeitraum zwischen 2003 und 2005 veröffentlicht wurden, sind Aufnahmen, die zu der Zeit auf Ablehnung, aber auch auf viel Begeisterung gestoßen sind. Das hing mit dieser Kompromisslosigkeit zusammen, die man sonst nur von Thorns, Dodheimsgard, späteren Mayhem, Red Harvest, The Berzerker, The Amenta oder harten Electronic-Acts kannte. Wir bezogen aber ja vor allem während der Aufnahmen zu „Fragments of the Mechanical Unbecoming“ unsere Einflüsse aus der radikalen Kunst beziehungsweise Malerei a la Jackson Pollock, Anselm Kiefer, Hermann Nitsch, Josef Trattner oder Mark Rothko. Dem Mini-Album merkt man das Durchbrechen aller Konventionen zu jeder Sekunde an. Das war einfach ne krasse Scheibe, die sich in jeder Avantgarde-Sammlung gut macht.
Bei „Amygdala“ vollzogen wir eine 180-Grad-Wende und wandten uns den Abgründen des menschlichen Bewusstseins und der menschlichen Gedankenwelt zu. Dieses Album hatte mehr Struktur, flirrende Gitarrenläufe, düstere, pumpende Beats und war stärker auf Grindcore bzw. Industrial ausgelegt. Man hört dieser Platte aber zu jeder Zeit an, welche Band da spielt.  Unsere Konstante ist aber schon, unübliche Themen aufzugreifen und diese auf unsere Art aufzuarbeiten. Bei der Svarta Daudi-EP tauchten wir in die berauschte Mystik düsterer Hippie- und Doom-Acts der 1970er ab, bei „The Delphic Doctrine“ verbanden wir orientalische Mythen mit Tech-Industrial Death/Black Metal und bei „Dystopia et Disturbia“ gossen wir unsere postmodernen Avantgarde-Anwandlungen in ein düsteres Death Metal-Opus.
Was sind wir also soundmäßig? Rein musikalisch oder spielerisch ist sicher der unverhältnismäßig hohe Blastbeat-Anteil, der teils doch recht eigenartige Gitarrenstil, den Neru und Jegger über Jahre hinweg perfektioniert haben, und der vielleicht für Metal genre-unübliche Einsatz von Electro-Elementen genau das, warum man uns recht schnell wiedererkennt. Insgesamt gesehen sind wir einfach eine Avantgarde-Band: Wir preschen immer in eine Richtung vor, halten uns an keine Regeln, bleiben unvorhersehbar, hoffen wir zumindest.

HF: In einer so langen Bandgeschichte sind Besetzungswechsel fast unausweichlich. Wie seid ihr damit umgegangen und wie sehr haben sie euch als Band und den Sound von Tristwood beeinflusst?
 
TW: Also der Kern der Band ist eigentlich immer gleichgeblieben. Bei uns ist es eben so, dass sich Bandmitglieder mal ein paar Jahre mehr, dann wieder weniger einbringen. Der Kern der Band ist aber auf allen Alben auf die eine oder andere Art und Weise zu hören. Wenn Bandmitglieder nicht mehr auf einem Album direkt involviert sind, dann beeinflusst das natürlich den Sound, das ist klar. Wir haben aber eine recht offene Bandpolitik. Wenn jemand mal bei Tristwood gespielt hat, kann er, wenn er auf einem Album wieder mitmachen will, das auch gerne tun. Seit einem Jahr ist JD von Eschaton, einer ziemlich abgefahrenen österreichischen Black Metal-Band, bei uns dabei. 
 
HF: Nachdem ihr eine gefühlte Ewigkeit keine neue Musik veröffentlicht habt, gibt es mit „Blackcrowned Majesty“ nun endlich neues Material, welches sich thematisch von euren bisherigen  Releases unterscheiden wird. Für das Konzeptalbum habt ihr eine eigene Fantasy-Welt erschaffen. Um was dreht sich die Erzählung?
 

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TW: Wir haben ja 2019 eine Kompilation mit dem Titel „Nyx“ veröffentlicht, welche die drei EPs „Lethe“, „Armada Khaeotica“ und „Black Dawn“ zusammenfasst. Also wir waren schon ein bisserl aktiver, als es den Anschein hat. Aber ansonsten hast du Recht, wir sind nicht gerade eine Band, die sich viel um Öffentlichkeitsarbeit, Auftritte, Interviews, Kontakte mit der Presse schert. Da könnten wir von den meisten anderen Bands viel bzw. sogar sehr viel lernen. Lieber nehmen wir auf, diskutieren rum.
Für das neue Album haben wir eine Grim-Dark-Fantasy-Geschichte entwickelt, die im Rahmen von Gesprächen zwischen 2014 und 2018 ausgearbeitet wurde. Im Mittelpunkt dieses Albums steht der letzte Teil einer erst in naher Zukunft genauer vorgestellten Saga um die Rückkehr einer sagenumwobenen, aus purer Schwärze und Unheil heraus geborenen Herrscherin.
Das muss man sich vielleicht so vorstellen:
Vor 150 Mondzyklen hatte Arath, so wird diese „Blackcrowned Majesty“ genannt, nach Zeitrechnung der Lande von Yrlyion, deren Mittelpunkt die alte Felsenstadt von Ka’ath bildet, einen gesamten Kontinent so lange mit Feuer und Krieg überzogen, bis Ka’a selbst, die alleserhellende Himmelsscheibe, vom Firmament fiel und den zuvor verwüsteten Erdteil vollends zerbrach. Arath selbst, die durch pure Schwärze gekrönte Zerstörerin, war dabei in tausend Stücke zerschlagen worden und kroch seither in den Norden der zerborstenen Nachwelt Ma’haxul, um sich dort mit ihren Getreuen zu vereinen und ihr Werk der Vernichtung auf dieser und allen anderen Welten zu vollenden. Nur wenige hatten ihr erstes Treiben überlebt und nur langsam begannen sich jene Wesen, die dereinst den alten Kontinent besiedelt hatten, in Ma’haxul ein neues Zuhause einzurichten. Nur Ka’ath, die Stadt des Lichts, geschützt durch das Felsengewand des Berges Nepha’ul, hatte als einzige den allesvernichtenden Feldzug Araths und ihrer Getreuen überstanden und bereitet sich seit dieser Zeit auf die Rückkehr der Zerbrochenen und mit Schwärze Gekrönten vor, der einer Prophezeiung nach nur durch den Einen, den Niedersten aller Lebenden, Einhalt geboten werden kann.

Das Album „Blackcrowned Majesty“ beschäftigt sich also konkret mit der Rückkehr Araths nach Ma’haxul. Auf musikalische Weise wird beschrieben, wie sie nach ihrer Zerschlagung in den Norden fließt und von ihren Getreuen erneut gekrönt wird. Rauthra, dunkler Held und Protagonist dieser Geschichte, reist derweil von nördlichen Gestaden aus ins Landesinnere, um sich ihr anzuschließen. Aus unmittelbarer Nähe erlebt er die erneute Auferstehung Araths mit. Innerlich zerrissen, von Ekel und Begeisterung gleichermaßen beseelt, wohnt er ihrer erneuten Wiederkehr in jener Kathedrale bei, die ihr zu Ehren aus den Gerippen des alten Kontinents herausgebrochen worden war, während Arath – nunmehr erneut zu allem Möglichen und Denkbaren, was Schwärze und Dunkelheit sein kann, gekrönt und erhoben – von ihren Anhängern, den Horden des endlosen Nachtschattens, den endgültigen Gefolgschaftsschwur entgegennimmt.
 
HF: Anscheinend seid ihr ja jetzt auch wieder auf den Release-Geschmack gekommen und habt direkt eine EP angekündigt, welche die Geschichte weitererzählen soll. Wie umfangreich habt ihr die Erzählung schon ausgestaltet und wann kann man mit dem nächsten Release rechnen? Plant ihr auch schon darüber hinaus?
 
TW: Wir haben schon vier weitere Songs aufgenommen, die textlich auf dieser verrückten, 80er-Jahre-mäßigen Geschichte fußt. Inhaltlich wird es wohl ein wenig genauer um die Krönungszeremonie Araths gehen. Wir sind aber noch am Planen. Wir haben übrigens eine weitere EP im Köcher, die daran anschließen soll, aber die derzeitige Corona-Pandemie macht uns gerade einen Strich durch die Rechnung. Diese erste EP, deren Arbeitstitel „The Vortex of Damnation“ lautet, wird musikalisch neues Terrain erkunden, aber soundmäßig ein wenig an „Blackcrowned Majesty“ anschließen. Wir gehen noch einem einen Schritt weiter und versuchen, das richtige Verhältnis zwischen Perfektion und Imperfektion zu erreichen, auch weil wir von diesen aufpolierten Alben, die derzeit auf den Markt geworfen werden, die Schnauze voll haben. Man hört das schon auf der Aufnahme „Blackcrowned Majesty“, auf der musikalischer Spontaneität mehr Raum gelassen wurde. Ok, wir waren auch mal so, dachten immer daran, den saubersten Riff hinzuknallen, aber wo ist da bitte das Feeling? Und mittelfristig sind zwei Alben geplant: Eines ist textlich sogar schon fertiggeschrieben, aber das heißt bei uns noch lange nichts. Das andere wird wieder an unsere alten Platten anschließen, das haben Neru und Deimon schon mal in einem Vorgespräch versprochen.
 
HF: Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen euch für die Zukunft alles Gute und freuen uns auf euer Album.
 
Interview: Katja Maeting
 
Weitere Infos:
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