Liv Kristine: Ich habe das Glück, dass ich authentisch sein darf

Am 25.4.2025 veröffentlichte Liv Kristine ihr neues Album „Amor Vincit Omnia“. Das Hellfire Magazin hatte heute, am 26.4.2025 die Chance beim Release Konzert des brandneuen Albums dabei zu sein.Zuvor konnten wir der sympathischen, norwegischen Queen des Gothic Metal im Plattenbau Schermbeck mittels eines Quick5 Interviews einige sehr private Informationen entlocken.

 

HF: Liv, Du hast eine interessante Vita. Inspiriert von Madonna, mit 10 Jahren Deine erste Band „Twice“. Liv lacht und staunt: Hey, das weißt Du auch? Hättest Du damals gedacht, so eine musikalische Reise anzutreten?

Liv: Für mich war es klar, dass ich singen und Botschaften durch Texte und Melodien Übermitteln sollte, und dass es Metal sein muss. Ist ja nicht unbedingt meine Stimme, ich habe ja eine Sopranstimme. Ich wusste, dass irgendetwas da ist, habe mich immer wohl gefühlt. Ich hatte nie Angst auf die Bühne zu gehen, aber ich wusste nicht wirklich, wie es sein wird. Ich habe nie Musik studiert, wir haben es ja gerade angesprochen. Ich habe Germanistik und Anglistik studiert. Bis heute kann ich keine Noten lesen, dafür umso besser spüren. Das ist auch so ein Zeichen, dass ich Farben bei der Musik sehe. Es ist dermaßen integriert in meinem authentischen „Selbst“. Das war immer so, und ich wusste, ich habe eine Aufgabe. Und das ist schon ein Geschenk, wenn man sich bewusst ist, warum man existiert. Und vor allem warum man sich mit dem Herzen dazu hingezogen fühlt. Und mittlerweile sind es mehr als 30 Jahre, beginnend mit meiner ersten Band „Twice“. Sogar 35 Jahre, und ich bin immer noch da. Ich glaube, das hat etwas mit dem „Geben“ und „Nehmen“ zu tun. Wenn ihr nicht da wäret, was hätte ich hier zu erbringen? Für mich macht das alles Sinn. Im Nachhinein sehe ich, dass der Weg, den ich gegangen bin, richtig war. Heute lebe ich ja nicht mehr von der Musik. Und ich kann es ja sagen, ich hatte oft Streit mit der Musikbranche. Ich habe mich nicht wohlgefühlt, hatte das Gefühl, man wolle mich manipulieren. Je mehr Geld im Spiel ist, desto weniger Rechte hast Du über Deine eigene Authentizität zu entscheiden. Das hat mir nicht gefallen. Aktuell kann ich entscheiden, zusammen mit „Metalville“. Wir treffen uns, können über alles sprechen und es ist wunderbar. Aus dieser Quelle heraus kann ich kreativ, entspannt sein, machen was für mir wichtig erscheint.  

 

HF: Du hast u.a. ein abgeschlossenes Anglistik Studium. Gab es irgendwann mal den Gedanken die Musik zu beenden? Die Musik in die zweite Reihe zu schieben?

Liv: An die zweite Stelle? Ich sehe das so, es ist ein Teil von mir, eine Berufung. Ich habe einen festen Beruf, mein festes Gehalt. Ich arbeite mit Kindern, die besondere Bedürfnisse haben, oder Diagnosen (dabei strahlen ihre Augen), bei denen man auch sagt, die seien nicht tragbar für das System. Auch das ist mein Auftrag. Das habe ich auch nicht studiert. Das sind die beiden Teile von mir. Manchmal gibt es mehr Musik, manchmal weniger. Und in Zukunft gibt es auch da eine Änderung. Und daher freue ich mich ungemein auf den Umzug nach Norwegen im Juli. Dort ist „Life – Work Balance“ ein ganz wichtiges Wort. Dort habe ich mehr Freizeit, und dann gibt es auch wieder mehr Musik in meinem Leben. Darauf freue ich mich riesig. 

 

HF: Seit über dreißig Jahren bist Du auf Tour, seit einigen Jahren mit Soloalben unterwegs. „Amor Vincit Omnia“ ist Dein siebtes Soloalbum. Machst Du einen Unterschied zwischen der Arbeit mit einer Band und Deinem Soloprojekt?

Liv: Hmm, (sie überlegt kurz). Also ich plane da nicht großartig. Das was mit Musik zu tun hat, der Weg, der entfaltet sich einfach. Das singe ich auch auf dem Album im Song „Unzip my Love“. It`s the way it goes“. Alle Dinge, die passiert sind, sind für mich, durch mich, wenn man es so sagen kann als Künstlerin. Das war vorhanden. Ich wusste zu unterscheiden, das ist meins, das ist nicht meins. Und das ist mein Ausgangspunkt. Ich habe nie Musik gemacht für die Plattenfirma, oder für die Charts und damit alle jubeln, sondern ich habe Musik gemacht, die mir aus dem Herzen kommt. Sascha ist seit Jahren mein Live Gitarrist, weil – „River of Diamonds“ wurde ja produziert von Tommy Olzen von „Theater of Tragedy“. Tommy wollte nicht live spielen. Sascha fragte mich, ob er mir einige Songs schicken dürfte, und ich war einverstanden. Innerhalb eines Jahres hat Sascha mir 22 Songs geschickt, und bei elf Songs habe ich gespürt, da ist eine Verbindung. Das sind übrigens alle Songs auf meinem neuen Album „Amor Vincit Omnia“. Dieser Prozess war relativ kurz mit eineinhalb Jahren. Zum Vergleich, bwi „River of Diamonds“ waren es sieben Jahre. Ich muss sagen, ich bin jetzt in meinem Leben angekommen. Ich habe gelernt, auch mal „nein“ zu sagen zu dem, was nicht zu mir gehört. Und wenn so fantastische Kompositionen wie jetzt von Sascha, bei mir ankommen, dann spüre ich sofort meine Kreativität. Dann laufe ich durch den Wald, wie im Song „12th February“, und dann habe ich ein „Download“ mit Melodien und Texten. Zuhause nehme ich es auf, schicke es Sascha und er sagt: „das passt“, das ist der Wahnsinn. Das kam alles während dieses Spazierganges. So musste ich mich nie zwingen Texte zu schreiben, war nie gelangweilt Texte zu finden. Musste mich nie zwingen Konzerte zu geben, weil es meine Kreativität ist. Ich fühl mich sehr frei als Künstlerin, und ihr überlasst mir diese Freiheit. Und ich habe ja auch Alben wie „Deus Ex Machina“ und jetzt „Amor Vincit Omnia“, die deutlich härter sind. Dazwischen bzw davor, „Leaves Eyes“ und auch „Theatre of Tragedy“. Ich habe so viele Sachen gemacht, und ihr seid immer noch da. Das beweist mir, ihr habt Vertrauen. Deswegen bin ich da. 

 

HF: Wir sind noch da, weil Du noch da bist

Liv: Das ist doch schön (und lacht).

  

HF:  Metal wird mit Kraft und auch Dunkelheit verbunden. Wie schaffst Du es im aktuellen Album  „Amor Vincit Omnia“ Zärtlichkeit und doomiges als Gegensätze zu kombinieren? 

Liv: Ja genau, das sind Gegensätze. Ich musste für mich rausfinden, ob es der richtige Weg ist. Es muss uns bewusst sein, dass beides ein Teil des Lebens ist. „Broken Beauty“, „Fear“ und „Love“. Manchmal hinterfragt man, warum passiert es gerade mir. Da sollte man nicht in diesen Fragen versinken, sondern in die Akzeptanz gehen und sagen, beides ist ein Teil von mir. Es stellt sich die Frage, wie man das Glück suchen soll. Etwa da draußen? Das Glück ist kein Teil von mir, denn ich bin das Glück. Heißt, ich gehe in die Akzeptanz. Und wenn ich tief in die Seele hineinschaue, da gibt es ab und zu einen tiefen Abgrund. Ich schaue da rein, und wenn ich mit mir klarkomme, dann habe ich es geschafft. Und „River of Diamonds“ ist so ein Album. Da geht es um Hoffnung. Wenn man gerade im dunklen Tunnel steckt und man sich fragt, wie soll ich da herauskommen? Und wenn Du da rauskommst, dann hast Du „River of Diamonds“.           

 

HF: „Maligna“ zum Beispiel. 

Liv: Ja genau. Und ich musste erstmal 49 Jahre werden, um das zu verstehen, nach so vielen Pannen in meinem Leben (dabei wirkt sie nachdenklich und schmunzelt). Aber jetzt fühlt es sich gut an, und ich würde es gerne weitergeben, wenn es ginge. Das singe ich in „12th February“. „it`s the darkness that completes my true self“. 

 

HF: Darauf wollte ich noch zu sprechen kommen (sie nickt). 

Liv: Wir suchen alle das Glück in uns, nicht da draußen. Wer sich selbst liebt, der kann auch Liebe nach außen ausstrahlen, seinen Seelenpartner finden. Davon handelt das Album. Die Liebe überwindet alles, und damit meine ich nicht die romantische Liebe, sondern die Bindung zu sich selbst. Ich finde es schön nächstes Jahr 50 zu werden, das ist auch eine Bindung. 

 

HF: Das kann ich Dir bestätigen, ich werde nächstes Jahr 70.                

Liv: Oooh, das hätte ich nie gedacht, und hast auch noch längere Haare als ich.

 

HF12th February scheint ein sehr persönlicher Song zu sein. Lebst Du diese Momente außerhalb der Bühne? Ist das ein Spiegelbild von Dir? Ist das die private Liv?

Liv: Also das Lied kommt direkt aus meiner Seele. Während ich mit meinem Hund im Wald spazieren ging, ist es mir sozusagen zugeflogen. Sascha hatte mir eine Instrumentalversion geschickt, und dann kam mir der Text dazu. Das war am 12. Februar 2024, und ist seitdem mein Mantra. Noch vor dem Kaffee spreche ich diesen Text. Es ist eine Botschaft, die mich berührt. Gestern haben wir es erstmals live gespielt. Ich muss gestehen, da war ich richtig fix und fertig. Aber das war okay für mich. 

 

HFDanke Liv, dass Du die Zeit hattest einige Fragen zu beantworten. Für den heutigen Abend und die anstehende Tour, wünschen wir vom Hellfire Magazin alles Gute!!

Liv: Vielen Dank, Dank an Euch, Danke Dir. Vor allem, dass ihr immer noch da seid. Das macht für mich Sinn, weiter zu machen. Ich habe das Glück, dass ich authentisch sein darf und meine Stimme immer noch da ist. Und es ist wunderbar Liv Kristine zu sein, wenn ihr dabei seid.
Ganz lieben Dank. 

 

Interview und Bilder: Bernd Kröninger

 

Mehr Infos:

Facebook

Speichere in deinen Favoriten diesen permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.