Hasard – Abgnose

© Hasard

 

Geschrieben von: Tim Karow
Band: Hasard
Album: Abgnose
Genre: Symphonic Black Metal / Avantgarde / Dark Ambient
Plattenfirma: Voidhanger Records
Veröffentlichung: 05.09.2025

 

Horror in der Musik ist eine seltene Kunst. Während Film und Literatur mit visuellen oder erzählerischen Schocks arbeiten, erschafft Hasard mit „Abgnose“ eine Form des Horrors, die ganz ohne Bilder auskommt, eine, die sich tief in den Verstand bohrt und dort langsam verästelt. Wo andere mit Blut und Monstern spielen, entfaltet Hasard ein Gefühl existenzieller Finsternis: den Schrecken des Bewusstseins selbst.

Der Titel „Abgnose“ stammt aus einem Kunstwort, das Hasard selbst erfand, es beschreibt den Zustand, „das Göttliche aus dem Leben zu entfernen und nur die Verzweiflung darüber zurückzulassen, leben zu müssen, ohne für die eigenen Taten belohnt zu werden.“ Schon dieser Gedanke klingt nach philosophischem Nihilismus, und genau so klingt auch das Album: wie das Echo einer Welt, die ihren Sinn verloren hat.

Nach dem gefeierten Malivore (2023), das Kritiker als „das nachdenklichste und zugleich erdrückendste Werk des Jahres“ bezeichneten, setzt Hasard seine Vision fort, und erweitert sie. Abgnose ist symphonischer Black Metal, aber einer, der mehr an alte Horrorfilme als an klassische Metal-Strukturen erinnert. Alles wurde von Hasard selbst komponiert und eingespielt: donnernde Pauken, verzerrte Streicher, wuchtige Bläser, fiebrige Synths und eine Stimme, die zwischen dämonischem Flüstern und hysterischem Schreien pendelt.

Bereits der Opener „Senestral“ baut ein Gefühl purer Bedrohung auf. Die orchestralen Elemente wirken wie der Soundtrack eines dunklen Rituals, während der Bass pocht wie ein unheilvolles Herz. Wenn dann die Hörner einsetzen, scheint man in einen Albtraum gezogen zu werden, der Klang einer Existenz ohne Erlösung.

„Oniritisme“ steigert dieses Gefühl noch: die Bläser schreien, als würden sie aus den Katakomben einer vergessenen Kathedrale hallen. Hier zeigt Hasard seine große Stärke, Komposition. Trotz ihrer Länge von über sieben Minuten verlieren die Stücke nie an Spannung. Ständig wechseln Tempi, Instrumentierungen verschieben sich, Dynamik bricht auf und zieht sich wieder zusammen. Das Ergebnis ist ein unruhiges, aber faszinierendes Hörerlebnis.

Der Sound erinnert an ein orchestrales Theater des Schreckens: Man meint, das Licht flackern zu sehen, während sich die Musik entfaltet, irgendwo zwischen Nosferatu und The Cabinet of Dr. Caligari. Doch trotz aller cineastischen Bezüge bleibt Abgnose ein zutiefst persönliches Werk. Es geht nicht um filmischen Horror, sondern um metaphysischen: die Angst vor der Bedeutungslosigkeit, den Verlust der göttlichen Ordnung.

Während die ersten vier Songs auf höchstem Niveau komponiert sind und eine dichte Atmosphäre erzeugen, verliert das Album am Ende leicht an Dynamik. Der abschließende Titeltrack „Abgnose“ ist weniger orchestriert, dafür stärker auf Reverb und Noise ausgelegt. Hasards Vocals werden lauter, aggressiver, fast schneidend, was zwar konzeptionell passt, aber die zuvor aufgebaute Finesse ein wenig verwischt. Der Song wirkt wie der finale Zusammenbruch eines gequälten Geistes, bedrückend, aber auch erschöpfend.

Was man Hasard nicht nehmen kann: „Abgnose“ ist eine konsequente Weiterentwicklung seines Schaffens. Die Produktion ist klarer und dynamischer als auf Malivore, die klangliche Tiefe beeindruckt. Und doch bleibt alles roh, unbehaglich, gefährlich.

Wo andere Künstler sich mit satanischem Pathos oder B-Movie-Horror begnügen, entwirft Hasard eine musikalische Metaphysik des Grauens, eine, die nicht an Dämonen glaubt, sondern an die Abwesenheit von Gnade.

„Abgnose“ ist kein einfaches Werk. Hasard komponiert hier den Klang des existenziellen Nichts, erschütternd und faszinierend zugleich. Ein Werk für alle, die sich nicht vor Dunkelheit, sondern vor sich selbst fürchten. Deswegen kriegen die Metaller aus Paris 8,5 von 10 Hellfire-Punkten.

 

Tracklist:

01 Oniritisme
02 Senestral
03 Negascendance
04 Antienne extralegal
05 Abgnose

 

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