Der Detze Rockt XIII: Zwei Tage Musik gegen den Wahnsinn der Welt

Text von Mathias Keiber // Fotos von Jörg Schnebele

Wenn draußen alles brennt, hilft nur noch Metal: Das Detze Rockt in der Eifel bietet Liebe statt Hass, Mähne statt Meinungskampf – und ein Line-up voller Energie.

Selten hatte ich einen Festivalbesuch so nötig wie vor diesem Detze. Denn mir ging es so – und vielleicht könnt ihr das nachvollziehen: Die Welt brennt, sie brennt von Tag zu Tag mehr. Genau genommen brannte sie vor dem Detze noch nicht so sehr wie danach. Ständig gibt es eine neue, noch schlechtere Nachricht, überall reflexartigen Widerspruch – ob auf Social Media, im Bekanntenkreis oder sogar in der eigenen Familie.

Mich nimmt das mit. Und deshalb dürstete es mich nach einer Veranstaltung, bei der man vorher schon weiß, dass die Liebe über den Hass siegt. Zwar war ich zum ersten Mal dort, aber schnell wurde mir klar, dass der Detze genau so eine Veranstaltung ist.

Ich liebe diese kleinen Festivals, mit etwa 1000 bis 3000 Besuchern. Man kann sich darauf verlassen, dass sich dort Enthusiasten einfinden, die wegen ihrer Liebe zur Musik da sind – im Fall vom Detze: wegen ihrer Liebe zum Metal.

Das Publikum ist ebenso vielfältig wie friedlich: Die Leute sprechen Spanisch, Französisch, Englisch, Niederländisch – und natürlich Deutsch. Manche sind schon im Ruhestand, andere kurz davor. Dann gibt es noch die Forty-Somethings in Band-Shirts und Bermudas – so wie mich.

Und dann die jungen Leute: kreativ gekleidet, fotogen, als wären sie direkt für ein Metal-Magazin gecastet worden. Am wichtigsten aber: Man verträgt sich. Man ist nachsichtig miteinander. Nirgendwo gibt es Streit – das, liebe Leute, ist die Kraft der Musik. Die Kraft des Metal.

Tag eins: Auftakt mit Speed

Eröffnet wird das Festival von Violent Sin aus Belgien – und Speed Metal ist tatsächlich eine hervorragende Wahl für den Auftakt. Zahlreiche Leute sind bereits vor der Bühne, und alle, die dort sind, sind sofort auf 180. Speed Metal eben, mit allem, was dazugehört.

Es folgen die Schweizer Megaton Sword. Das Quartett hat zwei starke Alben und eine ebenso gute EP im Gepäck. Live überzeugt mich der Epic Metal der Band allerdings weniger. Denn: Diese Spielart schreit nach Publikumsbindung – doch die bleibt fast komplett aus. Zwischen den Songs herrscht Stille. Wenn es mal eine Ansage gibt, dann ist es eher eine lyrische Einleitung zum nächsten Song als echte Interaktion. Schade. Gefeiert wird die Band trotzdem.

Hellbutcher

In puncto Bühnenpräsenz macht Hellbutcher so schnell niemand was vor. Es gibt viele Songs vom Debütalbum der Nachfolgeband von Nifelheim, aber auch Covers – und ein Coversong funktioniert besonders gut: Der, bei dem alle laut schreien: „Lay down your soul to the gods’ rock ’n’ roll!“ (Wer’s nicht erkennt: „Black Metal“ von Venom.)

Candlemass kommen etwas verspätet auf die Bühne – aber mit dem ersten Ton von „Bewitched“ haben sie das Publikum im Griff. Die Setlist besteht fast komplett aus den ersten drei Alben – zur Freude vieler. Weniger erfreulich sind die mitunter langen Pausen zwischen den Songs. (Gerüchten zufolge hätte „Demon’s Gate“ noch gespielt werden sollen – aber nach „Solitude“ ist Schluss.)

Destruction

Den Abschluss des ersten Tages machen Destruction – und was für einer! Ihr Konzert beginnt mit dem Imperial March aus Star Wars, bevor es nahtlos in „Invincible Force“ übergeht. Sie spielen ihr Debütalbum komplett – mit maximaler Energie.

Zwischen mir und der Menge sind einige Meter Rasen, plötzlich taucht dort eine ganz in Schwarz gekleidete junge Frau auf. Schnell zeigt sich: Sie braucht den Platz – sie hüpft zehn Meter nach links, dann zehn Meter nach rechts, wie jemand, der sich für die Einwechslung in einem Fußballspiel warm macht. Dazwischen hält sie immer wieder an und schüttelt ihre Mähne. Sie scheint komplett in ihrer eigenen Welt, eins mit der Musik von Destruction. Fast muss ich weinen, so sehr freue ich mich, derart pure, unverfälschte Begeisterung mitzukriegen.

Später gehe ich nach vorn, Destruction ziehen mich magisch an. Die Band spielt wie ein austrainierter Athlet, ein Höhepunkt des ersten Tages – und ein würdiger Headliner.

Tag zwei: Abschluss mit Doom

Weil ich nach Destruction noch drei Stunden Metal-Disco (grandioses DJ-Set!) und ein paar Bier mitnehme, beginnt mein Samstag später als gedacht. Die erste Band, Prehistoric Warcult, verpasse ich komplett. Von Kerrigan aus Freiburg bekomme ich noch ein paar Songs mit. Ihr Album wurde von der Fachpresse gefeiert, besonders von Deaf-Forever-Co-Herausgeber Wolf-Rüdiger Mühlmann. Zu Recht – das Songmaterial ist stark. Live allerdings fehlt dem Gesang noch etwas Feinschliff.

Phantom Spell hingegen erscheint mir wie der Band gewordene Feinschliff: Die britisch-spanische Prog-Rock-Kombo mit AOR-Einschlag wirkt so, als mache sie seit 20 Jahren hauptberuflich Musik: filigran im Spiel, charmant in den Ansagen – am liebsten würde ich sie in einer der ganz großen Hallen sehen. Und in den Siebzigern, in denen sie vermutlich noch nicht mal geboren sind, hätten sie vielleicht auch dort gespielt.

Metalucifer

Nocturnal Witch liefern eine willkommene Verrohung: angeschwärzter Thrash aus Thüringen, direkt und effektiv. Schizophrenia aus Belgien gehen noch härter ran – technisch versiert, mit einem Drummer, der ohne zweite Bassdrum die vielleicht tightesten Beats des Festivals liefert. Und dabei grinst, als sei es das Einfachste der Welt. Ihm beim Trommeln zuzusehen, ist die helle Freude. Freude kommt – natürlich – auch bei Stallion auf. Die Schwaben sind nach drei starken Alben fest in der Szene etabliert und bieten Heavy-Metal-Entertainment erster Güte – das musikalische Äquivalent zu einem guten Actionfilm mit Arnie im Kino.

Wären Metalucifer ein Film, so wäre es ein durchaus lustiger: Es gibt keinen Song der Band, der die Wörter „Heavy Metal“ nicht im Titel trägt. Die Songs an sich sind natürlich durchaus ernst gemeint und musikalisch auch ernst zu nehmen, aber in erster Linie macht die Band einfach eines: Spaß. Und das Publikum hat Spaß und beweist sich bei Songs wie „Heavy Metal Chainsaw“ oder „Heavy Metal Ninja“ als außerordentlich textsicher. Ein Song heißt „New Wave of British Hevy Metal“ – und wer die Japaner nicht kennen sollte, der weiß jetzt, welcher Art von Heavy Metal sie frönen.

Der New Wave of British Heavy Metal sind auch Satan zuzuordnen. Die Band um Gitarrist Russ Tippins nimmt in den Achtzigern gerade einmal zwei Alben auf, verschwindet daraufhin mehrere Jahrzehnte in der Versenkung. Seit 2013 aber haben die Herren einen Lauf: fünf gutklassige Alben infolge bringen sie seitdem heraus und schöpfen auf dem Detze aus dem Vollen. Mit „Into the Fire“ geht es los, mit „Trial by Fire“ geht es weiter, Schluss ist nach zwölf Songs mit „Oppression“ – und von mir aus darf die Band auch gerne noch weiterspielen. Aber: Da wartet ja noch der Headliner – Pentagram.

Bobby Liebling hat eine neue Band um sich formiert: Tony Reed an der Gitarre und Scooter Haslip am Bass (beide von Mos Generator) sowie Henry Vasquez von Saint Vitus an den Drums. In dieser Besetzung haben Pentagram jüngst ein neues, bemerkenswert starkes Album aufgenommen – und der Großteil der Setlist an diesem Abend speist sich aus diesem. Die neuen Songs kommen gut an, sicherlich auch dank des sehr druckvollen Sounds. Noch ein bisschen mehr werden natürlich die Klassiker des Debüts abgefeiert: „Sign of the Wolf“, „The Ghoul“ und die Zugabe „Twenty Buck Spin“.

Schön war’s.

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